Kinderlärm muss auch im Wohnraummietrecht nicht per se hingenommen werden
Der BGH zeigt wo die Grenzen liegen. Wohnen in einem Mietshaus Familien mit und ohne Kinder, können Kindergeräusche zu einem ständigen Zankapfel werden.
So sind in einem Mehrfamilienhaus gelegentlich auftretende Lärmbeeinträchtigungen durch Kinder grundsätzlich als sozial adäquat hinzunehmen. Kinderlärm begründet mithin für die betroffenen Mitmieter grundsätzlich keinen Mangel der Mietsache. Vor diesem Hintergrund geht die ganz überwiegende Instanzenrechtsprechung deshalb davon aus, dass der Lärm aufgrund altersgerecht üblichen kindlichen Verhaltens grundsätzlich von allen Bewohnern hinzunehmen ist. Allerdings hat die insoweit erhöhte Toleranz gegenüber Kindern auch Grenzen. Diese Grenzen sind jeweils im Einzelfall zu bestimmen. Dabei müssen Art, Qualität, Dauer und Zeit der verursachten Geräuscheemission, das Alter und der Gesundheitszustand des Kindes sowie die Vermeidbarkeit der Emissionen etwa durch objektiv gebotene erzieherische Einwirkung oder durch zumutbare oder sogar gebotene bauliche Maßnahmen berücksichtigt werden. Als sich gestört fühlender Mieter empfiehlt es sich daher, ein sogenanntes Lärmprotokoll zu führen, dass heißt, sich über eine gewisse Zeit hinweg zu notieren, wann und welcher Lärm im Haus vernommen wird.
Hierzu genügt es zwar grundsätzlich zu beschreiben, um welche Art von Beeinträchtigung es geht und zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten. Allerdings dürfte spätestens in einem Zivilprozess eine Anhörung hierzu stattfinden. Im Rahmen einer solchen Parteianhörung ist es wichtig, sich wieder an die konkreten Beschwerden zu erinnern. Selbige Lärmprotokolle sollten Sie im übrigen auch bei Mietbeeinträchtigungen bspw. durch Baulärm etc. führen. Nur mit Hilfe solcher "Gedächtnisprotokolle" ist es dem Gericht als auch dem Mieteranwalt möglich, sich ein genaues Bild über das Ausmaß der Beeinträchtigung sowie gegebenenfalls zustehenden Mietminderungen zu machen. In diesem Protokoll genügt es in der Regel aufzuführen, um welche Art von Beeinträchtigung es geht und zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten, vgl. BGH, Beschluss vom 22.08.2017, Az. VIII ZR 226/16.
Annett Rennert
Rechtsanwaltin
Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Rechtsanwälte Kulitzscher & Ettelt
Kindesunterhalt ab 01.01.2018 - mehr oder weniger?
Zum 01.01.2018 wird die so genannte Düsseldorfer Tabelle erneuert. Die von den deutschen Oberlandesgerichten, federführend durch das namensgebende Oberlandesgericht Düsseldorf, erstellte Tabelle über Kindesunterhaltsbeträge pauschaliert und vereinheitlicht in der Praxis die monatlichen Beträge, die als Kindesunterhalt zu zahlen sind; gestaffelt wird nach dem Alter der Kinder und dem Einkommen des zahlungspflichtigen Elternteils.
Nachdem die Beträge in den Jahren 2016 und 2017 gleich geblieben waren, werden die Unterhaltssätze ab 01.01.2018 wieder etwas angehoben und zwar dieses mal mit einer Besonderheit, dass nämlich die ersten beiden Einkommensgruppen zur neuen ersten Einkommensgruppe zusammengefasst werden, bei der sich dann der so genannte Mindestunterhalt für Kinder ablesen lässt.
Wichtig sind die neuen Sätze nicht nur in den Fällen, in denen zum ersten Mal ermittelt werden soll, wie viel ein Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt, monatlich zu zahlen hat, sondern auch für schon bestehende Unterhaltsverpflichtungen, in denen sich der Unterhaltszahler in einem so genannten "dynamischen Titel" der Zwangsvollstreckung unterworfen hat. Der Titel (Jugendamtsurkunde, gerichtlicher Beschluss oder Vergleich) lautend dann über einen Prozentsatz des jeweiligen Mindestunterhalts und passt sich so automatisch jeder Veränderung der Düsseldorfer Tabelle an. Bei solchen Titeln muss ab Januar geschaut werden, was denn nun aktuell zu zahlen ist. Dies könnte, wenn der Prozentsatz des Mindestunterhalts auf 105 % lautet, ausnahmsweise sogar weniger sein als bisher, da wie angesprochen die erste Einkommensgruppe (100 % Mindestunterhalt) und die zweite Einkommensgruppe (105 % Mindestunterhalt) zusammengefasst worden sind.
Jedenfalls ist es wichtig, sich zu informieren, um mögliche Überzahlungen oder das Auflaufen von Unterhaltsrückständen zu vermeiden.
Übrigens:
Die Düsseldorfer Tabelle hat keine Gesetzeskraft. In der Praxis wird sie gleichwohl von allen Familienrechtlern angewandt, um wie angesprochen die Rechtsanwendung beim Kindesunterhalt zu vereinfachen und zu vereinheitlichen. Auf die in der Düsseldorfer Tabelle verzeichneten Beträge ist noch das staatliche Kindergeld zu verrechnen und zwar in Abhängigkeit davon, welcher Elternteil es bezieht. Auch hier sollen sich zum 01.01.2018 Änderungn durch eine wiederum leichte Erhöhung des Kindergeldes ergeben. Die Rede ist von einer Erhöhung um zwei Euro pro Kind. Im Normalfall wird bei getrenntlebenden Eltern der Elternteil, der das Kind betreut, das Kindergeld beziehen. Die Verrechnung für den anderen, der seinen Unterhalt dann durch Zahlung leisten muss, erfolgt, indem die Hälfte des Kindergeldes vom aus der Tabelle abzulesenden Kindergeldbetrag abgezogen wird.
Rechtsanwälte Kulitzscher & Ettelt
Pfündungsschutz für Arbeitseinkommen. Sind auch Zulagen pfündbar ?
Häufig stellen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Frage, in welcher Höhe bei einer Pfändung oder Abtretung des Arbeitseinkommens, dieses noch an den Arbeitnehmer ausgezahlt werden darf. Bei einer unzutreffenden Bewertung droht eine nochmalige Zahlung an den Gläubiger oder den Arbeitnehmer.
Der Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen ist in den §§ 850 ff. ZPO geregelt. Im § 850 c ZPO werden Pfändungsgrenzen des Arbeitseinkommens festgesetzt, die sogenannten pfandfreien Beträge des Arbeitseinkommens. Werden daneben ggf. auch unregelmäßig zusätzliche Leistungen gewährt, so ordnet der Gesetzgeber in den §§ 850 a und 850 b ZPO an, welche dieser Beträge unpfändbar und welche nur bedingt pfändbar sind.
Unter anderen sind danach Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigungen, das Entgelt für selbst gestelltes Arbeitsmaterial, Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen, unpfändbar. Unpfändbare Bezüge darf der Arbeitnehmer neben seinem pfändungsfreien Grundeinkommen behalten. In diesem Zusammenhang stellte sich die Frage, inwieweit Zulagen für Samstagsarbeit, Sonntagsarbeit, Feiertags- und Nachtarbeit, sowie Schichtarbeit pfändbar sind.
Das Bundesarbeitsgericht hatte über einen Fall zu entscheiden, indem eine Arbeitnehmerin sich nach einem aufgehobenen Insolvenzverfahren in der sogenannten Wohlverhaltensphase befand, in der sie ihre pfändbaren Vergütungen an einen Treuhänder abgetreten hatte. Der Arbeitgeber hatte der Arbeitnehmerin Zuschläge für Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht-, Samstags- und Vorfestarbeit gewährt, diese als pfändbar angesehen und an den Treuhänder abgeführt. Hiergegen wandte sich die Klägerin und begehrte die (nochmalige) Zahlung dieser abgeführten Beträge an sich.
Das BAG hat in seinem Urteil vom 23.08.2017, Aktenzeichen: 10 AZR 859/16 entschieden, dass die Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit Erschwerniszulagen im Sinne des § 850 a Nr. 3 ZPO darstellen und deshalb bis zur Höhe der vom Gesetzgeber als steuerfrei festgelegten Beträge unpfändbar sind. Die Schicht-, Samstags- und Vorfestarbeitzulagen hingegen hat das BAG als pfändbar angesehen, da für die Beschäftigung in diesen Zeiten kein vom Gesetzgeber angeordnetes grundsätzliches Beschäftigungsverbot besteht, welches durch die Gewährung dieser Erschwerniszulage ausgeglichen werden müsse. Das Urteil hatte zur Folge, dass der Arbeitgeber - welcher dies zunächst unzutreffend bewertete und an den Treuhänder abgeführt hatte - an die Arbeitnehmerin nochmals leisten musste. Es empfiehlt sich daher, bei Pfändungsmaßnahmen stets genau zu prüfen, welche der Bezüge und insbesondere der Zulagen als pfändbar oder unpfändbar anzusehen sind.
Thomas Goltzsch
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Rechtsanwälte Kulitzscher & Ettelt
Kann das ewige Widerspruchsrecht verwirkt werden?
Kurz und knapp, ja.
Das LG Coburg hat die Klage eines Versicherungsnehmers auf Rückzahlung von Beiträgen für eine zwischenzeitlich gekündigte Kapitallebensversicherung abgewiesen, obwohl das Widerspruchsrecht weiterhin bestand. Im streitgegenständlichen Fall unterhielt der Versicherungsnehmer seit dem 01.01.1998 eine Kapitallebensversicherung. Als Laufzeitende war der 01.01.2018 vorgesehen. Der Versicherungsnehmer hat für den Zeitraum Januar 1998 bis Februar 2007 den Vertrag zur Absicherung des Kredites im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Eigentumswohnung genutzt. Im Jahr 2008 kündigte sodann der Versicherungsnehmer den Vertrag. Der Versicherer zahlte hierauf einen niedrigen fünfstelligen Betrag zurück. Dieser lag geringfügig über den Beiträgen die der Versicherungsnehmer insgesamt gezahlt hat. Im Jahr 2015 wurde sodann gegenüber der Versicherungsgesellschaft der Widerspruch des Versicherungsvertrages erklärt. Es wurde nunmehr die Rückzahlung der geleisteten Prämien nebst Schadenersatz für entgangene Rendite, Verzugszinsen und die Kosten der beauftragten Rechtsanwälte begehrt. Nach der Verrechnung des bereits im Jahr 2008 erhaltenen Betrages verblieb eine Forderung in einem hohen vierstelligen Bereich. Der Versicherungsnehmer meinte, er sei bei Abschluss des Versicherungsvertrages im Jahr 1998 nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden. Diese fehlerhafte Widerspruchsbelehrung kann auch viele Jahre später erfolgreich geltend gemacht werden.
Wie bereits ausgeführt, wies das LG Coburg die Klage ab. Die Widerrufsbelehrung erfolgte zwar fehlerhaft, da sich die Belehrung nicht deutlich genug vom sonstigen Inhalt des Versicherungsscheins unterschieden habe. Das Widerspruchsrecht des Versicherungsnehmers besteht daher grundsätzlich unbefristet bis zum Zeitpunkt seiner Ausübung im Jahr 2015 fort und ist insbesondere durch die Kündigung des Versicherungsvertrages und die danach erfolgte Abrechnung nicht erloschen.
Trotzdem kann der Versicherungsnehmer die sich aus der Ausübung des Widerspruchsrechts ergebenden Ansprüche nicht erfolgreich geltend machen. Der Versicherungsnehmer habe sich widersprüchlich verhalten. Begründet hat das LG die Ablehnung insbesondere damit, dass der Versicherungsnehmer seine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag kurz nach Abschluss des Vertrages, sogar noch im gleichen Monat, zur Kreditsicherung an seine Bank abgetreten hat. Des Weiteren war der Vertrag im Zeitpunkt der Ausübung des Widerspruchsrechts bereits 7 Jahre nach Kündigung des Versicherungsnehmers abgerechnet gewesen. Vor diesem Zeitpunkt hatte der Kläger/Versicherungsnehmer auch weit mehr als 10 Jahre lang Prämien gezahlt.
Die Entscheidung zeigt exemplarisch, dass die Ausübung des Widerspruchsrechts für seit langer Zeit abgeschlossene Kapitallebensversicherungen nicht in jedem Fall sicher zum gewünschten Erfolg führen. Wie so oft sind daher auch hier die Umstände jedes einzelnen Falles genau unter die Lupe zu nehmen. Nicht selten haben die Versicherungsverträge jahrelangen Bestand und wurden oft mehrfach zur Kreditsicherung genutzt. Hierdurch wurde der Versicherungsgesellschaft zu erkennen gegeben, dass auch der Versicherungsnehmer selbst von einem wirksamen Versicherungsvertrag ausgeht.
Sofern daher im Nachhinein das Widerspruchsrecht ausgeübt werden soll, ist der komplette Ablauf des Versicherungsvertrages zu prüfen. Je mehr Indizien für ein möglicherweise widersprüchliches Verhalten des Versicherungsnehmers sprechen, desto deutlicher ist der Versicherungsnehmer darüber aufzuklären, dass der Widerspruch möglicherweise erfolglos sein kann.
Carolin Greger
Rechtsanwältin
Rechtsanwälte Kulitzscher & Ettelt
Kann meine Mieterhöhungserklärung widerrufen werden?
Kommunizieren Vermieter und Mieter über eine Mieterhöhung schriftlich, stellt sich nach dem am 13.06.2014 in Kraft getretenen Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie die Frage: Kann das ein Fernabsatzgeschäft sein, das der Mieter widerrufen kann?
Kürzlich urteilten zwei Zivilkammern des Landgerichtes Berlin diese Frage unterschiedlich, so dass nunmehr der Bundesgerichtshof hierüber entscheiden muss.
Im Fall der Zivilkammer 63 des LG Berlin hatte der Vermieter dem Mieter per Brief um die Zustimmung zu einer Mieterhöhung gebeten. Der Mieter kam der Bitte zunächst nach, widerrief jedoch kurz darauf schriftlich seine Erklärung. Die Zivilkammer 63 des LG Berlin ging hierbei davon aus, dass die Verbraucherschutzvorschriften des BGB auch im Wohnraummietrecht anwendbar seien, und zwar auch soweit es um Erklärungen gehe, mittels derer ein bereits bestehender Mietvertrag geändert werden soll. In der Folge handele es sich bei den Willenserklärungen betreffend das Mieterhöhungsverlangen um ein Fernabsatzgeschäft, zu dessen Widerruf der Mieter berechtigt sei.
Auch in dem Parallelfall hat der Mieter einem per Brief übermittelten Mieterhöhungsverlangen zunächst zugestimmt, die Zustimmung aber widerrufen. Jedoch war die Zivilkammer 18 des LG Berlin anders als die Zivilkammer 63 der Auffassung, dass entgegen dem Wortlaut des Gesetzes die allgemeinen Vorschriften über den Verbraucherschutz nicht für bestehende Mietverträge gelten würden, sondern nur für den Abschluss eines (neuen) Mietvertrages. Die Zivilkammer 18 hielt mithin den Widerruf von vornherein nicht für gerechtfertigt.
Im Ergebnis bleibt es daher bis zur höchstrichterlichen Entscheidung des Bundesgerichtshofs dabei, dass der Mieter stets etwaige Mieterhöhungsverlangen prüfen sollte, bevor er diesen zustimmt.
Vermieter und Mieter können sich hierzu bei einem zugelassenen Rechtsanwalt zuvor beraten lassen.
Annett Rennert
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Rechtsanwälte Kulitzscher & Ettelt
Testament noch aktuell?
Um es gleich zu Beginn klarzustellen - letztwillige Verfügungen haben kein Verfallsdatum und müssen also nicht nach einer gewissen Zeit erneuert werden. Ein einmal wirksam erklärter letzter Wille ist gültig, bis er geändert wird.
Trotzdem ist es wichtig, eine vielleicht in relativ jungen Jahren gemachte Verfügung von Zeit zu Zeit aus der Schublade zu nehmen und zu prüfen oder fachkundig prüfen zu lassen, ob die Regelung noch den gewünschten und ursprünglich zugrunde liegenden Verhältnissen entsprechen.
Viele, wenn nicht die meisten Veränderungen im familiären Bereich haben direkt oder indirekt Einfluss auf die Nachfolgeregelung. Die Geburt eines Kindes oder Enkels, jede Eheschließung oder Scheidung des Verfassers des Testaments, ja selbst Eheschließungen der Kinder, können das ursprünglich einmal wohl überlegte Gefüge bei der Bildung des letzten Willens durcheinander bringen, mehr noch, sie können das Testament, dass im Erbfall ja ausschließlich gelten soll, rechtlich angreifbar machen, so etwa, wenn durch Heirat oder die Geburt eines eigenen Kindes neue Pflichtteilsberechtigungen entstehen und damit neben dem Pflichtteilsanspruch an sich Anfechtungsrechte, mit denen das Testament im Ganzen zu Fall gebracht werden kann. Ähnliches gilt, wenn im Testament bestimmte Vermögensgegenstände, z. B. Grundstücke, speziell benannt und einem bestimmten Bedachten zugeordnet sind und bereits zu Lebzeiten vom Errichter des Testaments verkauft oder übertragen werden, also im Erbfall zwar noch im Testament benannt sind, aber im Nachlass gar nicht mehr vorhanden sind. All diese Veränderungen mit Auswirkungen auf die letztwillige Verfügung lassen sich mit fachkundiger Hilfe relativ problemlos ändern oder ergänzen, wichtig ist nur, dass nicht in Vergessenheit gerät, sich seine letztwillige Verfügung ab und zu ins Gedächtnis zu rufen und zu überlegen, ob die Gegebenheiten, die beim Verfassen maßgeblich waren, sich nicht vielleicht zwischenzeitlich verändert haben. Im gleichen Maße ist natürlich bei dem oben beschriebenen familiären Veränderungen zu bedenken, ob es nicht an der Zeit ist, überhaupt eine letztwillige Verfügung, z. B. ein Testament zu errichten.
Zwar gibt es auch ohne Testament immer eine Erbfolge, da dort wo es keinen wirksam geäußerten letzten Willen gibt, die Erbfolge des Bürgerlichen Gesetzbuches Anwendung findet. Allerdings muss hier bedacht werden, dass die gesetzlichen Regelungen nahezu 100 Jahre alt sind und mit den heute häufig anzutreffenden Formen des Zusammenlebens etwa in nichtehelichen Lebensgemeinschaften oder sog. Patchworkfamilien mit gemeinsamen und nicht gemeinsamen Kindern nicht kompatibel sind, da der Gesetzgeber derartige Familienmodelle nicht kannte bzw. nicht billigte. Folglich hat weder der Lebensgefährte, noch das Stiefkind gesetzliche Erbansprüche, obwohl diese im familiären Sinne dem Erblasser vielleicht näher stehen als leibliche Kinder, zu denen ggf. gar kein Kontakt besteht, die aber mangels letztwilliger Verfügung als leibliche Abkömmlinge des Verstorbenen erben würden, während die eigentlichen Familienmitglieder leer ausgehen. Jeder sollte sich in einer Mußestunde vergegenwärtigen, dass der Tod zum Leben gehört und jeder Todesfall eine Erbfolge auslöst. Die gute Nachricht ist, dass diese geplant und vorbereitet werden kann, wenn man sich nur entschließt, die Angelegenheit anzugehen. Der erbrechtlich spezialisierte Berater steht Ihnen hierzu zur Verfügung.
Rechtsanwälte Kulitzscher & Ettelt, Döbeln
Was tun bei Wildunfall?
Wildunfälle sind gerade in der dunklen Jahreszeit keine Seltenheit.
Daher gilt, insbesondere beim Vorfinden entsprechender Warnschilder, eine angemessene Geschwindigkeit einzuhalten, um noch rechtzeitig bremsen zu können, wenn plötzlich ein Reh oder eine Bache nebst Frischlingen aus dem Unterholz bricht und über die Straße möchte. Steht plötzlich ein Tier auf der Straße oder springt es aus dem Wald, wird es schnell eng. So ist man bei 50 km/h in einer Sekunde bereits 14 m weiter gefahren. Bei 100 km/h sind es bereits 28 m, die Ihr Fahrzeug ungebremst weiterrollt, bevor Sie als Fahrer aufs Bremspedal treten und der Bremsweg beginnt. Der Bremsweg verdoppelt sich dabei nicht einfach mit der Geschwindigkeit, sondern er vervierfacht sich. Statt durchschnittlich 12,5 m Bremsweg aus 50 km/h heraus bei sog. Gefahrenbremsung werden somit bei 100 km/h rd. 50 m Bremsweg. Dabei gilt für die Bremsverzögerung dasselbe wie beim Bremsweg. Die Geschwindigkeit nimmt nicht gleichmäßig ab. Vielmehr gleicht das Bremsen einer umgekehrten Beschleunigung. Die Geschwindigkeit nimmt dementsprechend zunächst nur langsam ab. Beim Bremsen aus 100 km/h trifft man ein Tier in 60 m Entfernung daher immer noch mit rd. 60 km/h. Handelt es sich dabei um einen ausgewachsenen Rothirsch, wirkt eine Kraft von 5 t auf das Fahrzeug, bei einem 150 kg schweren Wildschwein sind es immerhin noch 3,5 t. Hirsch und Wildschwein sind daher von der Wucht her mit einem Elefanten bzw. einem Nashorn vergleichbar.
Wird ein Wildtier am Wald- oder Feldrand entdeckt, sollte zunächst abgebremst und das Tier durch Hupen verscheucht werden. Des Weiteren ist das Fernlicht auszuschalten, da die blendende Lichtquelle die Orientierung des Wildes beeinträchtigt. Sollte der Bremsweg hingegen nicht mehr ausreichen, um eine Kollision zu vermeiden, sollte der Reflex zurückgehalten werden, ein Ausweichmanöver einzuleiten. Denn hierbei ist die Gefahr zu groß, mit einem anderen Wagen zusammenzustoßen oder aber die Kontrolle über das Fahrzeug zu verlieren. Im Fall der Kollision gilt es, keinesfalls den Unfallort zu verlassen. Ein derartiges Verhalten ist bei einem Eigenschaden zwar nicht unbedingt als sog. Fahrerflucht zu bewerten, jedoch kann ein Entfernen vom Unfallort gegen das Tierschutzgesetz verstoßen, sollte das Tier noch am Leben sein. In jedem Falle ist daher anzuraten, nach einem entsprechenden Absichern der Unfallstelle die Polizei zu informieren und den Wildunfall zu melden. Die Schäden, die anlässlich der Kollision am Fahrzeug entstanden sind, sind nicht vom Jagdpächter zu ersetzen, ganz gleich von welchem Tier ein Unfall verursacht wurde. Gleichzeitig ist der Jagdpächter jedoch auch nicht berechtigt, vom Fahrer des Unfallfahrzeuges eine Gebühr für die Beseitigung des Kadavers zu verlangen. Auch ein Schadenersatzanspruch zu Gunsten des Jagdpächters besteht grundsätzlich nicht.
Hinsichtlich des zu ersetzenden Schadens am Fahrzeug ist zu unterscheiden. Ist der Schaden am Fahrzeug durch eine Kollision mit einem Wildtier entstanden, so ist die Teilkasko für den Ersatz des entstandenen Eigenschadens verantwortlich. Leitet der Fahrer ein Ausweichmanöver ein, um eine drohende Kollision zu vermeiden und verliert er im Folgenden die Kontrolle über sein Fahrzeug, so dass er ins Gelände, gegen einen Baum oder ein anderes Fahrzeug fährt, so gilt dies ebenfalls als Wildunfall. Es liegt jedoch die Beweislast dafür, dass der Unfall im Zusammenhang mit einer Gefährdung durch Wild entstanden ist, beim Fahrer.
Die Versicherung deckt meist nur Schäden ab, die durch Wildunfälle mit sog. Haarwild entstanden sind. Eine weitere Ausnahme ist für Wildunfälle mit Kleintieren, wie Hasen oder Füchsen, gegeben. Hier besteht kein Deckungsschutz im Falle eines Aufpralls, der durch ein Ausweichmanöver verursacht wurde. In diesem Fall wäre die Kollision mit dem Kleintier mit einem weniger hohen Schadensumfang verbunden gewesen, so dass die Teilkasko nicht zahlt. Zu berücksichtigen ist, dass der Versicherungsschutz grundsätzlich nur jagdbares Wild erfasst. Unter Umständen geht daher der betroffene Fahrzeugführer bei einem Wolfsunfall leer aus.
Carolin Greger
Rechtsanwältin
Rechtsanwälte Kulitzscher & Ettelt, Döbeln
Widerspruch gegen die Lebensversicherung
Das inzwischen lang andauernde Niedrigzinsniveau macht auch Versicherungsunternehmen zu schaffen. Dies bedeutet auch für den Versicherungsnehmer deutlich geringere Wertzuwächse.
Eine Kündigung des Versicherungsvertrages stellt aufgrund der geringen Rückkaufswerte keine optimale Lösung dar. Es bietet sich daher der Widerruf des Versicherungsvertrages als Ausweg an.
Der BGH hatte bereits mit einem Urteil im Jahr 2015 die Rechte der Verbraucher in Bezug auf die Rückabwicklung von Lebens- und Rentenversicherungen gestärkt. Im Falle eines Widerspruchs gegen den Versicherungsvertrag hat nunmehr der Versicherer sowohl die Abschluss-, als auch die Verwaltungskosten zurückzuerstatten, die an das Finanzamt abgeführte Kapitalertragssteuer jedoch nicht. Dieser Entscheidung liegt bereits das Urteil des gleichen Senats aus Mai 2014 zugrunde. Hier hat der BGH klargestellt, dass ein zeitlich unbefristetes Widerspruchsrecht besteht, wenn der Verbraucher nicht oder nicht ordnungsgemäß über seine Verbraucherrechte belehrt wurde, insbesondere über die Möglichkeit, dem Vertrag zu widersprechen. Konkret bedeutet das für die betroffenen Versicherungsnehmer, dass für den Fall eines Versicherungsvertragsschlusses in den Jahren 1994 bis 2008 für den Fall der unvollständigen Belehrung die Möglichkeit besteht, den Vertrag (nahezu) vollständig rückabwickeln zu lassen. Sollte eine Prüfung der Widerrufsbelehrung ergeben, dass diese nicht ordnungsgemäß erfolgt ist, so können die gesamten geleisteten Prämien vom Versicherungsnehmer zurückverlangt werden. Dies gilt sogar dann, wenn eine fondsgebundene Versicherung bestanden hat und der Wert der Fondsanteile mittlerweile geringer ist als der Wert der Prämienzahlung.
Weiterhin hat der BGH Klarheit dahingehend geschaffen, dass der Anspruch auf Rückerstattung auch die durch die Versicherung gezogenen Nutzungen erfasst. Problematisch hieran ist jedoch, dass der Verbraucher die von der Versicherung gezogenen Nutzungen darlegen und auch beweisen muss. Insofern ist mit weiteren Entscheidungen zur Frage der Rückabwicklung von Lebensversicherungs- und Rentenverträgen zu rechnen. Der Versicherer muss daher den Gesamtbetrag der Einzahlung zurückerstatten. Dies hat ohne Abzug von Kosten und Gebühren zu erfolgen. Grundsätzlich ist der Betrag für die gesamte Laufzeit mit durchschnittlich 5 % über dem jeweiligen für das Jahr geltenden Basiszinssatz zu verzinsen. Dies ist in jedem Fall mehr als der Garantiezins und liegt in der Regel auch deutlich über der zu erwartenden Gesamtrendite des Vertrages.
Die Versicherungsnehmer können dennoch nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien zurückverlangen, sondern sie müssen sich den jedenfalls bis zur Kündigung des jeweiligen Vertrages genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Dieser Risikoschutz kann je nach Lebensalter und Vertragsdauer zwischen 0 und 15 % der gesamten Prämien betragen.
Eine Prüfung, inwiefern ein Widerspruch möglich ist, lohnt sich auf jeden Fall. Ein Widerspruch ist sogar dann möglich, wenn der Versicherungsvertrag bereits im Vorfeld gekündigt worden ist.
Da es den Versicherungsunternehmen auch zunehmend schwer fällt, einen Garantiezins zu erwirtschaften und gleichzeitig die eigenen Kosten zu decken, könnte eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Versicherungsgesellschaft - zumindest zeitweilig - durch geringere Zahlungen an die Versicherungsnehmer und die Einschränkung ihrer Rechte abgewendet werden. Die Pflicht der Versicherungsnehmer hingegen zur Zahlung ihrer Beiträge wäre durch die Herabsetzung nicht berührt. Wer dieses Risiko vermeiden will, sollte also den Widerruf seiner Versicherung prüfen lassen.
Carolin Greger
Rechtsanwältin
Rechtsanwälte Kulitzscher & Ettelt, Döbeln
Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit bei Krankheit oder Urlaub
Häufig stellt sich die Frage, ob bei der Berechnung des im Krankheitsfall fortzuzahlenden Arbeitsentgelts oder bei der Berechnung der Urlaubsvergütung die ansonsten bei Arbeitstätigkeit geleisteten Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit berücksichtigt werden müssen.
Dabei wird landläufig die Auffassung vertreten, dass aufgrund der tatsächlich nicht geleisteten Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit im Krankheitsfall oder bei Urlaub auch die hierfür ansonsten gewährten Zuschläge nicht gezahlt werden müssen, da in diesem Zeitraum die besondere Erschwernis nicht kompensiert werden muss. Dem ist aber nicht so.
Im Falle der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall schreibt § 4 I EntgFG vor, dass im Krankheitsfall dem Arbeitnehmer das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen ist. Nach § 4 I a EntgFG ist hiervon lediglich das zusätzlich für Überstunden gezahlte Arbeitsentgelt ausgenommen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes gilt das Ausfall- oder Referenzprinzip. Das heißt, der Arbeitnehmer ist während seiner Erkrankung im Hinblick auf die zu zahlende Vergütung so zu stellen, wie er gestanden hätte, wenn seine Arbeitsleistung nicht in Folge Krankheit ausgefallen wäre. In erster Linie ist daher konkret darauf abzustellen, ob der Arbeitnehmer beispielsweise aufgrund eines Schichtplans im Zeitraum seiner Erkrankung hätte Nacht-, Sonn- oder Feiertagsarbeit leisten müssen. In diesem Falle wären die hierfür gezahlten Zuschläge zu berücksichtigen. Fehlt es an einem solchen konkreten Schichtplan, so wäre darauf abzustellen, ob der Arbeitnehmer regelmäßig Nacht-, Sonn- oder Feiertagsarbeit leistet.
Nimmt der Arbeitnehmer Erholungsurlaub in Anspruch, so bestimmt sich das hierfür zu zahlende Urlaubsentgelt nach § 11 EntgFG. Dieses ist nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst zu berechnen, den der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat. Auch bei der Urlaubsgewährung wären daher Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge zu berücksichtigen, wenn sie innerhalb der letzten 13 Wochen vor Beginn des Urlaubs gezahlt worden sind.
Arbeitnehmer sollten allerdings beachten, dass diese Zuschläge im Falle der Nichtzahlung verfallen können, wenn im Arbeitsvertrag, oder in einem anzuwendenden Tarifvertrag eine Ausschlussfrist geregelt ist. Für Arbeitgeber ist zu beachten, dass sich dieser gegenüber dem zuständigen Sozialversicherungsträger nicht auf derartige Verfallsfristen berufen kann. Nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichtes vom 15.09.2016, Az: B 12 R 2/15R, entstehen die Beitragsansprüche (schon), sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Für die Beitragspflicht von Arbeitsentgelt ist danach allein auf das Entstehen eines arbeitsrechtlichen Entgeltanspruchs abzustellen, ohne Rücksicht darauf, ob (und von wem) dieser Anspruch im Ergebnis erfüllt wird oder nicht. Dabei ist es für die Beitragsbemessung unerheblich, ob der einmal entstandene Entgeltanspruch - zum Beispiel wegen Verfallsklauseln oder wegen Verjährung - vom Arbeitnehmer (möglicherweise) nicht mehr realisiert werden kann. Arbeitgeber müssen daher dennoch den Sozialversicherungsbeitrag auf (zu Unrecht) nicht gezahlte Zuschläge abführen, auch wenn der Nettolohnanspruch gegenüber dem Arbeitnehmer aufgrund der Verfallsfristen nicht mehr erfüllt werden muss. Dies wird häufig erst nach einer Betriebsprüfung erkennbar.
Thomas Goltzsch
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Rechtsanwälte Kulitzscher & Ettelt, Döbeln
Neues zum Versicherungsrecht - Die private Unfallversicherung
HDie private Unfallversicherung deckt unfreiwillige Gesundheitsschäden ab, welche anlässlich eines Unfallereignisses eintreten.
Bereits diese kurze Definition bietet hinreichend Potential für verschiedentliche Auslegungsmöglichkeiten, welche sodann zu juristischen Auseinandersetzungen zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer führen können. Ein Unfallereignis liegt immer dann vor, wenn eine plötzliche Einwirkung von außen auf den Körper zu einem unfreiwilligen Gesundheitsschaden führt. Ausschlaggebend ist für die Leistungsverpflichtung des Versicherers der sog. Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und der eingetretenen Gesundheitsbeeinträchtigung. Vielfach verweist der Versicherer auf sog. Vorschädigungen (z. B. Verschleiß) und lehnt somit seine Haftung ab. Der Unfall habe nicht allein zur Gesundheitsbeeinträchtigung geführt.
Nunmehr hat der Bundesgerichtshof jedoch in einer Entscheidung vom 19.10.2016 klargestellt, dass es in der privaten Unfallversicherung ausreichend ist, dass das Unfallereignis an der eingetretenen Funktionsbeeinträchtigung mitgewirkt hat, wenn diese Mitwirkung nicht gänzlich außerhalb aller Wahrscheinlichkeit liegt. Eine wesentliche oder richtungsgebende Mitwirkung, wie beispielsweise im Sozialversicherungsrecht, ist vorliegend nicht zu verlangen. Daher schließt auch ein Vorschaden für sich genommen das Vorliegen eines Unfallereignisses nicht aus. Ausreichend zur Bejahung eines Unfalles im Sinne der privaten Unfallversicherung ist daher bereits die sog. Mitursächlichkeit. Dennoch bleiben Krankheiten und Gebrechen nicht unberücksichtigt. Ist also ein Gesundheitsschaden anlässlich eines Unfallereignisses eingetreten, so ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, mit welchem Mitwirkungsanteil das Unfallgeschehen einerseits und die degenerative Vorschädigung anderseits zu dem Schaden beigetragen haben. Ist ein entsprechender Mitwirkungsanteil festzustellen, so erfolgt eine Minderung der vom Versicherer zu erbringenden Leistung.
Es stellt sich nunmehr jedoch des Weiteren die Frage, wann ein Gebrechen im Sinne des Versicherungsvertragsgesetzes vorliegt. Die Definition geht davon aus, dass ein Gebrechen mitwirkt, wenn bei der Gesundheitsbeeinträchtigung oder der Ausprägung der Unfallfolgen ein vorbestehender Zustand mitgewirkt hat, welcher über einen normalen Verschleiß oder über das Maß einer unkritischen Normvariante hinausgeht. Dies auch unabhängig davon, ob vor dem Unfallereignis eine akute Behandlungsbedürftigkeit bestanden hat oder nicht. Geht also ein Degenerationszustand über das alterstypische Maß hinaus, ist dieser insgesamt als Gebrechen anzusehen. Hieraus ergibt sich jedoch im Umkehrschluss wiederum, dass Altersgebrechen keine die Leistungsverpflichtung des Versicherers kürzende Mitwirkung begründen können. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der Abschluss einer privaten Unfallversicherung sinnvoll ist. Sollte ein Unfallereignis eintreten, ist eine rechtzeitige Schadensmeldung an den Versicherer dringend anzuraten. Nicht jede dann folgende Ablehnung des Versicherers ist berechtigt. Insbesondere mit fortgeschrittenem Alter des Versicherungsnehmers ist der Hinweis des Versicherers auf einen den Unfall begünstigenden Verschleiß und damit ein Ausschluss der Haftung des Versicherers oft nicht berechtigt.
Carolin Greger
Rechtsanwältin
Rechtsanwälte Kulitzscher & Ettelt, Döbeln
Vorsichtig mit "hausgemachten" Testamenten
Die überwiegende Zahl der Erbfälle in Deutschland erfolgt noch immer nach den gesetzlichen Erbfolgeregeln und zwar nicht etwa deshalb, weil dies so sein müsste oder das gesetzliche Erbrecht universell und für jeden Erbfall die passende Lösung bietet, sondern schlicht deshalb, weil der Erblasser keinen letzten Willen hinterlassen hat.
Folge ist, dass in aller Regel eine Erbengemeinschaft aus mehreren verwandten Personen und dem Ehegatten und zwar eher zufällig nach Verwandtschaftsgraden, mehr oder weniger gleichmäßig am Nachlass teilhat. Besondere Leistungen von Nachkommen, die eigentlich honoriert werden müssten, wie Pflege und Hilfe im Alter, werden im gesetzlichen Erbrecht kaum, zumindest nicht wirklich praktikabel berücksichtigt und es auch grundsätzlich keine Rolle spielt, welches Verhältnis der Erblasser zu seinen Verwandten hatte. Nach dem Gesetz zählt die Verwandtschaft und sonst eigentlich nichts.
Es ist also in den allermeisten Erbfällen sinnvoll, selbst durch eine letztwillige Verfügung zu bestimmen, wer etwas bekommen soll und wer nicht, wer Entscheidungen zum Nachlass treffen kann und wer nicht oder wer ausdrücklich von der Erbfolge ausgeschlossen sein soll. Vom Grunde her ist es eigentlich auch nicht schwierig, seinen letzten Willen rechtlich bindend abzufassen. Man nimmt ein Blatt Papier, verfasst handschriftlich erbrechtliche Verfügungen und unterschreibt ebenfalls handschriftlich am Endes des Testaments. Allerdings steckt wie so oft der Teufel im Detail.
Letztwillige Verfügungen, insbesondere Testamente, die ohne vorherige juristische Beratung abgefasst werden, führen häufig zu etwas anderen, manchmal sogar zum ganzen Gegenteil des Gewollten im Erbfall. Problematisch ist hier schon der oft gewichtige Unterschied zwischen Begriffen der Alltagssprache und gleichlautenden juristischen Begriffen. Überhaupt fehlt oft die Eindeutigkeit des Gewollten mit der Folge, dass ein Testament ausgelegt werden muss oder es ist gar nicht recht zur erkennen, was der Erblasser wollte oder wen er bedenken wollte. In einer relativ aktuellen Entscheidung vom 14.11.2016 etwa hatte sich das Oberlandesgericht Köln mit einem handschriftlichen Testament zu beschäftigen, in dem angeordnet war, dass "derjenige, der den zuletzt verstorbenen Ehegatten begleitet und gepflegt hat, der Alleinerbe sein soll". Das Oberlandesgericht hat diese Anordnung für unwirksam gehalten, da das Testament keine hinreichend bestimmte Erbeinsetzung enthält und folglich nicht klar ist, wer denn nun die Person des Erben sein soll. In dem entschiedenen Fall lief also der absolut nachvollziehbare Wunsch des Erblassers, den zu bedenken, der sich am Lebensende um ihn gekümmert hat, leer. Dabei wäre das Problem ohne Weiteres lösbar gewesen, hätte der Erblasser beim Abfassen des Testaments juristische Beratung in Anspruch genommen. Die Aufgabe des erbrechtlich spezialisierten Rechtsanwalts ist es, die Wünsche und Vorstellungen dessen, der ihn um Beratung bittet, durch Hilfe bei der Formulierung in die Form zu bringen, die letztlich im Erbfall dafür sorgt, dass genau das, was gewollt war, auch eintritt und vermieden wird, dass durch Mehrdeutigkeit Streit unter den Nachkommen entsteht bzw. diejenigen, denen man etwas zukommen lassen will, auch wirklich das Zugedachte erhalten.
Wir beraten Sie gern.
Rechtsanwälte Kulitzscher & Ettelt, Döbeln
Kann Urlaub noch verfallen?
Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Bei dessen zeitlicher Festlegung sind Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen.
Dabei muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung auf das folgende Kalenderjahr ist nur in Ausnahmefällen, die das Bundesurlaubsgesetz im Einzelnen regelt, zulässig. Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BAG galt bislang der Antragsgrundsatz. Das heißt, Urlaub konnte der Arbeitnehmer zur gewährt erhalten, wenn er zuvor einen Antrag gestellt hat. Hat er dies nicht, oder nicht rechtzeitig innerhalb des Kalenderjahres vorgenommen, so verfiel sein Urlaubsanspruch mit Ablauf des Kalenderjahres, soweit nicht eine dauerhafte Erkrankung vorlag. Arbeitnehmer mussten daher bislang darauf achten, dass sie rechtzeitig im laufenden Kalenderjahr ihren Urlaubsantrag stellen, um sich den Urlaubsanspruch zu erhalten.
Eine Pflicht des Arbeitgebers, auf den Verfall des Urlaubs am Kalenderjahresende hinzuweisen, bestand bislang nicht. Das LAG Köln hat sich neuerdings u.a. in einer Entscheidung vom 10.11.2016 gegen diese langjährige Rechtsprechung des BAG gewandt und sich für eine Pflicht des Arbeitgebers zur Urlaubsgewährung auch ohne Urlaubsantrag des Arbeitnehmers ausgesprochen. Das LAG Köln hat damit argumentiert, dass der Urlaubsanspruch, der seinen Ursprung im Unionsrecht habe, dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers diene und damit dem Arbeitsschutzrecht zuzuordnen sei. Der Arbeitgeber müsse aufgrund seiner Arbeitsschutzpflicht daher den gesetzlichen Mindesturlaub auch ohne Aufforderung dem Arbeitnehmer gewähren. Der Rechtsstreit wurde zwischenzeitlich vom BAG dem Europäischen Gerichtshof zur Beantwortung der Frage vorgelegt, ob der Arbeitgeber auch ohne Aufforderung des Arbeitnehmers diesem dem gesetzlichen Mindesturlaub gewähren müsse. Es bleibt daher abzuwarten, wie sich der Europäische Gerichtshof in dieser Frage positioniert. Bestätigt sich die Auffassung des LAG Köln, so müssen Arbeitgeber zukünftig auch ohne Urlaubsantrag des Arbeitnehmers diesem im Urlaubsjahr seinen gesetzlichen Mindesturlaub gewähren. Wird im Arbeitsvertrag keine Unterscheidung zwischen gesetzlichen Mindesturlaub und vertraglichen Mehrurlaub getroffen, so wird dies möglicherweise den gesamten Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers umfassen.
Thomas Goltzsch
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Rechtsanwälte Kulitzscher & Ettelt, Döbeln
Verlust des Versicherungsschutzes wegen angeblicher Verletzung der Aufklärungsobliegenheit
Das Interesse der Kfz-Haftpflichtversicherer nach Einstellung eines Strafverfahrens wegen Unfallflucht, beim Versicherungsnehmer (VN) zu regressieren, ist groß.
In der Regel wird konsequent der Versuch unternommen, den geleisteten Schadenersatz zurückzufordern. Hierzu fordern die Versicherer die Strafakte bei der Staatsanwaltschaft an und bejahen intern die Erfolgsaussichten für die Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen, jedenfalls bei einer Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153 StPO (Einstellung wegen Geringfügigkeit) oder § 153 a StPO (Einstellung gegen Zahlung einer Geldauflage). Liegt eine strafrechtliche Verurteilung wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort vor, sehen die Versicherer in einem Regressprozess - oft zu Unrecht - einen "Selbstläufer". Der Versicherer wirft dem VN eine Aufklärungsobliegenheitspflichtverletzung vor und macht im Weiteren einen Anspruch auf Ausgleich des von ihm regulierten Schadens geltend. Grundsätzlich fordert eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit dabei nicht, dass die Voraussetzungen des Straftatbestandes des unerlaubten Entfernens vom Unfallort erfüllt sind. Leistungsfrei ist der Haftpflichtversicherer gemäß § 28 Abs. 2 S. 1 VVG, wenn der VN die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Vorsätzlichkeit im Sinne des § 28 Abs. 2 VVG erfordert das Wollen der Obliegenheitsverletzung im Bewusstsein des Vorhandenseins der Verhaltensnorm und umfasst auch bedingten Vorsatz. Die Rückforderung des Schadenersatzes scheidet jedoch gemäß § 28 Abs. 3 S. 1 VVG aus, wenn die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls, noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Haftpflichtversicherers ursächlich war. Oftmals wird der unfallflüchtige VN bereits unmittelbar am Tatort oder in Tatortnähe gestellt oder er meldet sich verspätet bei der Polizei. In einem solchen Fall lassen sich keine Indizien dafür finden, dass die Regulierung durch den Versicherer einen anderen Verlauf genommen hätte, wenn der Unfallverursacher sich vor Ort als solcher zu erkennen gegeben und die notwendigen Feststellungen zeitnah ermöglicht hätte. Die Rückforderung ist in einem solchen Fall mangels Ursächlichkeit einer unterlassenen Schadensanzeige ausgeschlossen, da der Haftpflichtversicherer nachweisen müsste, welchen anderen Verlauf die Regulierung voraussichtlich genommen hätte, wenn der VN die notwendigen Feststellungen am Unfallort ermöglicht hätte.
Hat jedoch der VN die Obliegenheit arglistig verletzt, so hilft diese Argumentation nicht. Eine arglistige Verletzung der Aufklärungsobliegenheit liegt immer dann vor, wenn der VN einen gegen die Interessen des Haftpflichtversicherers gerichteten Zweck verfolgt und weiß, dass sein Verhalten (Flucht) die Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann. Ein arglistiges Verhalten ist daher immer dann anzunehmen, wenn der VN durch seine Flucht Umstände verschleiern wollte (Alkohol- oder sonstige Rauschmitteleinwirkung).
Steht eine vorsätzlich oder grob fahrlässig begangene Obliegenheitsverletzung fest, so ist der Regress des Haftpflichtversicherers nicht in unbegrenzter Höhe möglich. Es sind die Regressgrenzen aus § 6 Abs. 1 KfzPflVV zu beachten.
Angesichts der zu erwartenden Folgen ist eine anwaltliche Beratung bei drohendem Regress stets zu empfehlen.
Auch der Haftpflichtversicherer trägt im Falle des Rückforderungsprozesses eine Reihe von Prozessrisiken. So muss der Versicherer die Aufklärungsobliegenheitspflichtverletzung ebenso beweisen, wie die Vorsätzlichkeit des Handelns des VN. Hinzu kommt, dass der VN die Möglichkeit hat, den oben dargestellten Kausalitätsgegenbeweis zu führen.
Bei Altverträgen tritt die Problematik der Unwirksamkeit nicht geänderter Allgemeiner Versicherungsbedingungen hinzu und auch bei der Frage der Höhe des Regresses kann eine Reduzierung des geltend gemachten Betrages unter Umständen erreicht werden.
Carolin Greger
Rechtsanwültin
Fachanwältin für Verkehrsrecht
Rechtsanwälte Kulitzscher & Ettelt, Döbeln
BGH: Kein Auszug trotz Kündigung - Mieter müssen kräftig nachzahlen
Viel zu oft passiert es, dass Mieter, denen ordnungsgemäß gekündigt wurde, nicht aus ihrer Wohnung ausziehen.
Nun müssen diese Mieter für die Monate nach Erhalt der Kündigung mit einer saftigen Nachzahlung rechnen.
Denn der Vermieter darf nach verstrichener Kündigungsfrist die ortsübliche Miete ansetzen. Der Maßstab dafür ist eine Neuvermietung, wie der BGH mit Urteil vom 18.01.2017, Az: VIII ZR 17/16, nunmehr entschied. Der Vermieter darf daher von dem gekündigten Mieter für die Monate der Nachnutzung soviel Geld verlangen, wie er von einem neuen Mieter hätte bekommen können.
Diese "Nutzungsentschädigung" ist in vielen Fällen wesentlich höher, als die tatsächliche, laut Mietvertrag ursprünglich geschuldete Miete !
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall endete das Mietverhältnis aufgrund Eigenbedarfskündigung zum 30.10.2011. Die Mieter gaben die Wohnung jedoch erst 1,5 Jahre später zurück und zahlten während dieser Nutzungsdauer die Miete und Nebenkostenvorauszahlung, wie im Mietvertrag vorgesehen.
Zu wenig, meinte der Vermieter, und verlangte für die 17 Monate Weiternutzung die Differenz zwischen der vereinbarten Miete und der Marktmiete, die er hätte erzielen können, wenn er neuvermietet hätte.
Dass der Vermieter aufgrund seiner Eigenbedarfskündigung gar keine Neuvermietung plante, sondern vielmehr die Wohnräume selbst nutzen wollte, spielte für den BGH keine Rolle. Vielmehr wurden die ehemaligen Mieter durch den BGH dazu verurteilt, etwa 7.300,00 EUR nachzuzahlen.
Entscheidend sei, dass durch die gesetzliche Regelung der Nutzungsentschädigung ein zusätzlicher Druck auf den Mieter ausgeübt werden soll, die geschuldete Rückgabe der Mietsache zu vollziehen. Nach den Entscheidungsgründen des BGH sei nicht einzusehen, dass der Vermieter sich mit der vereinbarten, geringeren Miete nach Ablauf der Kündigungsfrist begnügen müsse. Der Vermieter darf daher soviel Geld verlangen, wie er von einem neuen Mieter hätte bekommen können, und muss sich nicht an die Begrenzung und Fristen halten, die bei normalen Mieterhöhungen den Mieter vor allzu hohen Forderungen schützen sollen.
Annett Rennert
Rechtsanwültin
Fachanwältin für Miet- und WEG-Recht
Rechtsanwälte Kulitzscher & Ettelt, Döbeln
Wechselmodell im Umgangsrecht - echte Neuigkeiten vom Bundesgerichtshof?
In den letzten Tagen wurde in fast allen Medien berichtet, der Bundesgerichtshof habe erstmals entschieden, dass es möglich ist, gerichtlich anzuordnen, dass Kinder getrenntlebender Eltern die gleiche Zeit bei dem einen, wie bei dem anderen Elternteil leben und zwar auch dann, wenn dies nur ein Elternteil möchte und der andere dagegen ist.
Betrachtet man die Entscheidungsgründe des Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 01.02.2017 genauer, ergibt sich diese klare und scheinbar unzweideutige Aussage allerdings nicht. Konkret wurde entschieden, dass die Entscheidung eines Umgangsverfahrens durch das Oberlandesgericht Nürnberg aufgehoben und zur erneuten Prüfung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen wurde. Grund war im Wesentlichen, dass das Oberlandesgericht nach Meinung des Bundesgerichtshofs den Sachverhalt nicht umfassend ermittelt, insbesondere das betroffene Kind nicht persönlich angehört hatte. In der Sache selbst hat der Bundesgerichtshof also nicht entschieden. Dort ging es darum, dass das Oberlandesgerichts den Antrag eines getrenntlebenden Vaters auf Anordnung des so genannten Wechselmodells abgelehnt hat und zwar mit der Begründung, dass sich die Möglichkeit einer solchen Anordnung aus dem Gesetz überhaupt nicht ergäbe. Es hatte daher davon abgesehen, das Kind anzuhören, dass ohnehin nicht im Sinne des Antrags des Vaters entscheiden kann. Dies hat der Bundesgerichtshof anders gesehen. Aus der Entscheidung ergibt sich, dass die Richter am Bundesgerichtshof davon ausgehen, dass das Gesetz dem Gericht zumindest nicht verbietet, ein Wechselmodell anzuordnen, wenn es nach umfassender Aufklärung des Sachverhalts zu dem Ergebnis kommt, dass dies für das Kind die beste aller Umgangsformen ist. Genau dies solle das Oberlandesgericht nun erst einmal prüfen. Gleichzeitig hat der Bundesgerichtshof einige grundsätzliche Punkte benannt, auf die bei der Prüfung der Kindeswohlverträglichkeit des Wechselmodells zu achten ist. Es soll zum Beispiel nicht in erster Linie darauf ankommen, ob ein Elternteil das Wechselmodell grundsätzlich ablehnt, dies aber nur dann nicht, wenn er die Ablehnung nicht begründet. Mögliche Gründe hat der Bundesgerichtshof gleich mit besprochen, insbesondere den, dass ein Wechselmodell nicht in Frage kommt, wenn das Verhältnis der Eltern untereinander erheblich konfliktbelastet ist. Auch müssen gewisse logistische Gegebenheiten vorliegen, um das Wechselmodell durchzuführen (kurze Entfernungen der Wohnsitze der Eltern, räumliche Nähe zur Schule oder Kindereinrichtung, die Vereinbarkeit der Kinderbetreuung mit dem Berufen beider Eltern usw.).
Als Fazit der Entscheidung kann man also sehen, dass das höchste deutsche Familiengericht es zwar grundsätzlich für möglich hält, dass Familiengerichte ein Wechselmodell anordnen; gleichzeitig aber relativ hohe Hürden hierfür zu überwinden sind. Es ist also durchaus fraglich, ob sich das Wechselmodell als Umgangsmodell mittel- und langfristig durchsetzen wird; zumal neben dem Umgang selbst beim Wechselmodell noch viele andere ungeklärte Probleme bestehen, zum Beispiel ob und wenn ja, wie viel Kindesunterhalt die Eltern sich gegenseitig zahlen müssen.
Rechtsanwälte Kulitzscher & Ettelt, Döbeln
Fristlose Kündigung bei wiederholt verspäteten Mietzahlungen
Aufgrund von Zahlungsrückständen und wiederholt unpünktlicher Mietzahlungen kündigte die Vermieterin ihrer Mieterin die Wohnung fristlos sowie hilfsweise auch fristgemäß.
Der Mietanteil wurde durch das Jobcenter - allerdings wiederholt unpünktlich - gezahlt. Bereits im Februar 2013 erfolgte erstmals eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs sowie eine Räumungsklage. Nachdem die Behörde eine Zahlungsverpflichtung abgegeben hatte, wurde die Sache für erledigt erklärt. In dem Zeitraum von August 2013 bis März 2014 erfolgten wiederum nur Teil- beziehungsweise verspätete Zahlungen, die zu einer erneuten Kündigung führten.
Das Amtsgericht hatte der Räumungsklage stattgegeben, das Landgericht Hamburg sie hingegen abgewiesen. Die Mietrückstände seien lediglich durch die verspäteten Mietzahlungen, die seitens des Jobcenters direkt an die Vermieterin geleistet wurden, entstanden. Mangels eines Verschuldens der Mieterin sei daher die fristlose Kündigung unberechtigt.
Der BGH erklärte hierauf am 29. Juni 2016, Az.: VIII ZR 173/15, dass ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung vorläge, soweit der Vermieterin unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Mieterin, die weitere Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden könne. Hier sei auch jeweils das Verhalten in der Vergangenheit zu berücksichtigen. Hierbei betonte der BGH, dass ein Verschulden des Jobcenters hinsichtlich der Sicherstellung der pünktlichen Zahlungen der Mieterin grundsätzlich nicht zuzurechnen wäre. Eine öffentliche Stelle sei kein sogenannter „Erfüllungsgehilfe“ eines Mieters hinsichtlich der Sicherstellung der Mietzahlungen. Es gebe keinen allgemeinen Grundsatz, wonach eine fristlose Kündigung ausgeschlossen sei, wenn die Mietzahlungen der Behörde nicht rechtzeitig erfolgten. Auch ohne Vorliegen eines Verschuldens falle die Gesamtabwägung zum Nachteil der Mieterin aus, soweit sich die unpünktlichen Zahlungen über einen längeren Zeitraum erstreckten beziehungsweise die Vermieterin im besonderen Maße auf die pünktlichen Mietzahlungen angewiesen sei. Dies gilt insbesondere für Vermieter, die erkennbar mit den Mietzahlungen ihre Kredite bedienen müssten oder ihren Lebensunterhalt durch die Mieteinnahmen bestreiten würden. Im vorliegenden Fall erfolgte zudem bereits kurz vorher eine Klage wegen Zahlungsverzugs, sodass das Mietverhältnis bereits nicht störungsfrei verlief. Der BGH hob daher das Urteil des Landgerichts auf und verwies die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurück an das Landgericht.
Kommentar: Der BGH geht im Ergebnis weiter davon aus, dass verspätete Mietzahlungen, die durch staatliche Stellen direkt erbracht werden, nicht ohne Weiteres durch die Mieter zu vertreten sind und unbedingt eine fristlose Kündigung nach sich ziehen können. Die Entscheidung zeigt jedoch ebenso, dass die Mieter aber die pünktlichen Mietzahlungen jeweils kontrollieren sollten. Die Mieter dürfen nicht darauf vertrauen, dass bei unpünktlichen Zahlungen durch die Behörde mangels eigenen Verschuldens der Verlust der Wohnung nicht eintreten werde. Insbesondere wenn dem Mieter bekannt ist, dass die Behörde in der Vergangenheit verspätete Zahlungen geleistet hat, wird ein aktives Tätigwerden seitens der Mieter gegenüber dem Leistungsträger erforderlich. Ansonsten droht der Verlust der Wohnung!
Annett Rennert
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Rechtsanwälte Kulitzscher & Ettelt, Döbeln
Personalgespräch bei Krankheit?
Das Bundesarbeitsgericht hatte sich mit der Frage zu befassen, ob ein Arbeitnehmer verpflichtet ist, während einer attestierten Arbeitsunfähigkeit zu einem Personalgespräch beim Arbeitgeber zu erscheinen.
Im zugrundeliegenden Fall hatte der Arbeitgeber einen bei ihm beschäftigten und aufgrund eines Unfalles längerfristig arbeitsunfähigen Krankenpfleger zu einem Personalgespräch eingeladen, in welchem weitere Beschäftigungsmöglichkeiten abgeklärt werden sollten.
Der Arbeitnehmer hatte unter Verweis auf seine attestierte Arbeitsunfähigkeit den Termin abgesagt, woraufhin der Arbeitgeber einen neuen Termin bestimmte mit dem Hinweis darauf, dass gesundheitliche Hinderungsgründe durch ein spezielles ärztliches Attest nachgewiesen werden müssten.
Nachdem der Arbeitnehmer auch diesen Termin unter Verweis auf seine Arbeitsunfähigkeit absagte, erhielt er von der Arbeitgeberin eine Abmahnung, deren Entfernung aus der Personalakte er in dem zu entscheidenden Verfahren begehrte.
Das Bundesarbeitsgericht hat im Ergebnis, wie die Vorinstanzen auch, mit Urteil vom 02.11.2016, AZ: 10 AZR 596/15 entschieden, dass während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich keine Verpflichtung des Arbeitnehmers besteht, an einem Personalgespräch teilzunehmen. Die Anordnung der Durchführung eines Personalgesprächs folgt zwar aus dem Direktionsrecht des § 106 Gewerbeordnung, wonach der Arbeitgeber die Arbeitsleistung nach Inhalt, Ort und Zeit unter Beachtung billigen Ermessens bestimmen darf. Weil der erkrankte Arbeitnehmer aber während der Arbeitsunfähigkeit seiner Arbeitspflicht nicht nachkommen muss, ist er auch grundsätzlich nicht verpflichtet, im Betrieb zu erscheinen oder sonstige mit seiner Hauptleistung unmittelbar zusammenhängende Nebenpflichten zu erfüllen.
Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht auch darauf hingewiesen, dass es dem Arbeitgeber nicht grundsätzlich untersagt ist, mit dem erkrankten Arbeitnehmer in einem zeitlich angemessenen Umfang in Kontakt zu treten, um mit ihm im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarung die Möglichkeiten zur weiteren Beschäftigung nach dem Ende der Erkrankung zu erörtern. Der Arbeitnehmer ist dabei aber nicht verpflichtet, im Betrieb zu erscheinen, es sei denn, dass dies ausnahmsweise aus betrieblichen Gründen unverzichtbar ist und der Arbeitnehmer hierzu gesundheitlich in der Lage ist.
Im Ergebnis wird es nur in einzelnen Ausnahmefällen eine Pflicht zum Erscheinen des Arbeitnehmers im Betrieb während der Arbeitsunfähigkeit geben. Nur wenn eine solche Verpflichtung besteht, dann darf der Arbeitgeber eine Verletzung dieser Pflicht auch abmahnen.
Thomas Goltzsch
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Rechtsanwälte Kulitzscher & Ettelt, Döbeln
Vorweggenommene Erbfolge - eine Alternative
Eine vorweggenommene Erbfolge kennt das Gesetz dem Begriff nach nicht. Die Erbfolge setzt immer einen Todesfall voraus. Trotzdem werden viele Verträge eben unter dieser Überschrift geschlossen.
Sie bedeuten dem Inhalt nach, dass ein späterer Erblasser einem späteren Erben oder sonst zu Bedenkenden bereits zu Lebzeiten Vermögenswerte überträgt und dies in seine Nachfolgeplanung mit einbezieht. Dies ist immer dann sinnvoll, wenn die familiäre Situation einerseits im Erbfall zu einer Erbengemeinschaft führt, also einer Vielzahl von Rechtsnachfolgern, die den Nachlass teilen müssen. Dort ergibt sich stets ein Problem, wenn der Nachlass in Natur nicht teilbare Vermögenswerte, etwa Immobilien, Unternehmensbeteiligungen oder Ähnliches enthält. Eine andere, immer aktueller werdende Motivation ist, dass der spätere Erblasser zu Lebzeiten etwa ein Grundstück übergibt, weil ein Nachfolger bereit steht, der das Grundstück nutzen oder investieren möchte und hierfür Rechtssicherheit braucht und im Gegenzug z. B. Pflegeleistungen für den späteren Erblasser übernimmt. Hier sind sehr sinnvolle Konstellationen denkbar, die einen gleitenden und vom Erblasser noch zu kontrollierenden Vermögensübergang ermöglichen, sowie spätere Streitigkeiten bei der Teilung verhindern helfen. Wenn man sich mit der Nachfolgeplanung beschäftigt, sollte also auch diese Möglichkeit unbedingt bedacht werden. Rechtlich werden sich die entsprechenden Geschäfte in aller Regel als Schenkung darstellen, was weitere Überlegungen erforderlich macht. In erster Linie ist das Pflichtteilsrecht zu beachten.
Schenkungen vor dem Erbfall sind für Pflichtteilsberechtigte relevant und können Ansprüche auslösen. Es gibt hier natürlich rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten, die allerdings bedacht und idealerweise angegangen werden sollten. Ferner ist das Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht zu beachten, wobei insbesondere bei großem Vermögen oder weitläufigem Verwandtschaftsverhältnissen durch lebzeitige Schenkungen die Möglichkeiten einer mehrfachen Nutzung von Freibeträgen interessant sein können. Allerdings sind auch sozialrechtliche Bezüge in Betracht zu ziehen, etwa wenn der Schenker nach der Übertragung von Vermögenswerten sozialleistungsbedürftig wird und der staatliche Leistungsträger die Möglichkeit erhält, das Geschenk zurückzufordern. Es ist eine kluge Gestaltung der lebzeitigen Vermögensübergabe zwingend erforderlich. Das Gleiche gilt für die Regelung von "Störfällen", wenn etwa die persönliche und wirtschaftliche Entwicklung des Beschenkten nicht wie geplant verläuft, er sich als undankbar erweist oder sich gar überschuldet oder zahlungsunfähig wird, so dass seine Gläubiger Zugriff auf den verschenkten Gegenstand nehmen könnten.
Hier müssen Rückforderungsansprüche für bestimmte Fälle mit geregelt sein. Bedenkt man all dies und lässt sich fachkundig beraten, bieten derartige Gestaltungen allerdings ganz hervorragende Möglichkeiten zur Nachfolgeplanung, die zusammen mit einer durchdachten letztwilligen Verfügung Probleme und Streitpotential nach dem Erbfall vermeiden helfen und sowohl für den Schenker als auch für den Beschenkten noch zu Lebzeiten Vorteile bieten. Wichtig ist eine genaue Analyse der familiären Situation, der gewünschten Effekte, sowie eine fundierte fachliche Beratung.
Rechtsanwälte Kulitzscher & Ettelt, Döbeln